GESCHICHTE
DES SNOWBOARDS |
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Schon
1900 stellte der Österreicher Toni Lenhardt
mit seinem "Monogleiter" einen Vorläufer des Snowboards
vor, und bereits 1914 fand in Bruck an der Mur das erste Monogleiterrennen
statt. 1929 dann ein weiterer Evolutionssprung, auf der anderen Seite
des Atlantiks: M.J. "Jack" Burchetts Version des Snowboards
bestand aus einer Sperrholzplatte, und er befestigte seine Füsse
mit einer Wäscheleine und Reitzügeln. Ein Film von 1939 zeigt einen elegant gekleideten Herrn namens Vern Wicklund, der auf einem snowboardähnlichen Brett einen Chicagoer Hügel hinabgleitet. Sogar ein Patent auf sein Produkt scheint zu existieren. Richtig los ging's aber erst im Zeitalter von Mr. Bond. 1963 entwickelte der Achtklässler Tom Sims für ein Schulprojekt das "Ski Board". Gleichzeitig träumte ein junger Surffreak mit dem schönen Namen Sherman Poppen von der magischen, weissen Winterlandschaft der Rockies. Und wie wir sie halt kennen, die Amis (Träume wahr machen und so), war das Ergebnis, dass er sich ein Surfbrett für den Schnee baute. Sein erster Prototyp war ein 1,20 m langes Brett aus Kunststoff, das er aus zwei Kinderskiern zusammengedübelt hatte und seiner Tochter Wendy schenkte. Bei den Nachbarskindern war das Ding sofort ein Renner. Sherman feilte an seiner Idee, und 1965 ging das Ding in Serie: Zusammen mit einem Hersteller von Bowlingkugeln produzierte er den "Snurfer" (=Snow-Surfer), der in Spielzeugläden verkauft wurde und so seinen Weg unter die Weihnachtsbäume fand. Zum unschlagbaren Preis von US$ 15 wurden in den folgenden Jahren über eine Million Snurfer verkauft, und Mr. Poppen begann, eine Wettkampfserie in die Welt zu rufen. 1968 fand in Shermans Heimat Muskegon, Michigan, der erste Snurf-Contest statt. Doch der Snurfer als Massenphänomen verschwand so plötzlich, wie er aufgetaucht war. Nichts als die vage Erinnerung an ein unkontrollierbares Spielzeug blieb im Gedächtnis der meisten Menschen von ihm übrig. |
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BURTON UND SIMS |
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Fast
war dies schon das Ende der schönen Idee, die winterlichen Berge abzusurfen. Wenn es da
nicht Typen wie Dimitrije Milovich oder Jake Burton Carpenter gegeben
hätte. Milovich, ein Surfer von der Ostküste, kam 1970
eine Idee, als er im Norden des Staates New York auf Cafeteria-Tabletts
im Schnee herum rutschte. Er begann Snowboards nach dem Vorbild der
neuen, kurzen Surfboards zu entwickeln und benutzte sogar schon rudimentäre
Stahlkanten - eine Idee, die er bald wieder verwarf, da er sowieso
immer in tiefstem Powder boardete! Er experimentierte mit Glas- und
Kiesellaminaten und Nylonschlaufen. Seine Firma "Winterstick" kann
wohl als erste richtige Snowboardfirma angesehen werden. 1975 fand
er Erwähnung im amerikanischen "Newsweek" und im "Playboy",
bereits 1976 warf er ein Schwalbenschwanzboard auf den damals allerdings
noch kaum existenten Markt - und 1980 war die Firma erst mal pleite.
Auch Jake Burton, damals 23-jähriger Student, stand total auf
Snurfen und verbesserte das Spielzeug immer weiter, um ein richtiges
Sportgerät daraus zu entwickeln. Fußschlaufen zur besseren
Kontrolle, Finnen für mehr Stabilität... Jake war immer
auf der Suche nach neuen Details, um das Ding zu optimieren. 1977
entschloss er sich dann, seine eigene Firma in Vermont zu gründen.
Er startete mit einer kleinen Auflage seiner "Snowboards",
flexibler Holzboards mit Wasserskibindung. Der schmale Umsatz, den
er bei dem überaus hohen Preis von $38 erwirtschaftete, deutete
nicht darauf hin, dass hier eine der radikalsten Wintersportrevolutionen
im Gange und die größte Snowboardfirma der Welt im Entstehen
war. Gleichzeitig begann auch der schon erwähnte ehemalige Skateboard-Champion
Tom Sims, ebenso wie Jake dem Snurfen verfallen, Snowboards zu produzieren.
Bob Weber entwickelte 1977 das berühmte "Yellow Banana"-Board
aus Polyethylen, und Chuck Barfoot stellte im folgenden Jahr ein
erstes Fiberglasboard her. Diese frühen Boards hatten meist
noch keine Bindungen und statt dessen eine Kontrollleine. Da sie
auf öffentlichen Pisten nicht zugelassen waren, mussten die
ersten Boarder sich nachts auf die Hänge schleichen und heimlich üben,
um Strafen zu vemeiden. |
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DIE 80ER KOMMEN |
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1979,
bei einem der letzten Snurfer-Contests in Michigan, zeigte der
Snurfer-Pro Paul Graves eine Freestyledemonstration
und brachte die Crowd mit vier Sliding 360s zum Schreien. Er fuhr
den Kurs zum Teil auf einem Knie und beendete die Strecke mit einem
Frontflip, bei dem er seinen Snurfer abschnallte. Im gleichen Wettbewerb
bestand Jake Burton Carpenter darauf, mit seinem eigenen Equipment
teilnehmen zu dürfen. Es gab Proteste gegen sein unsnurfermäßiges
Snowboarddesign. Paul Graves und andere kämpften jedoch für
Jakes Recht, mitfahren zu dürfen, und so wurde kurzerhand eine
Open Division eingeführt, bei der nur Jake mitfuhr. Er gewann.
Im gleichen Jahr entdeckte Mark Anolik hinter dem Müllplatz
von Tahoe City die Tahoe City Halfpipe, die als weltweit erste Snowboard-Pipe
in die Geschichte einging und neben Cracks wie Terry Kidwell oder
Keith Kimmel auch die Fotografen der Skatemagazine anzog. In den
frühen Achtzigern wurden dann auch in Europa die ersten Prototypen
zusammengepappt. |
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Aber immer
mehr Fans versuchten, die Kultbretter aus Amerika zu importieren.
Einer der ersten war der spätere ISF-Präsident
José Fernandes aus der Schweiz, der 1982 ein Board aus den USA
bestellte, nachdem er schon einige Bretter selbst gebaut hatte. Er
sollte 1985 auch der erste Europäer sein, der an einem Rennen
in den USA teilnahm - er wurde Dritter der North American Championships
in Calgary, an denen auch Craig Kelly teilnahm. Andere europäische
Pioniere waren der Oberammergauer Tommy Delago, die spätere Weltmeisterin
Petra "Milka" Müssig aus Konstanz sowie der Franzose
Roland Regis, der Gründer von Apocalypse Snowboards. Sein Film "Apocalypse
Snow" von 1986 dokumentiert die Explosion des Sports in Europa.
Materialien aus der Skitechnologie verbesserten die Gleitfähigkeit
der Boards. Die Snowboardpioniere von Flite, 1974 gegründet, produzierten
die ersten Highback-Bindungen. Die Rider begannen, die Finnen abzumontieren,
und langsam, aber sicher, verwandelte sich der "Snurfer" in
ein kontrollierbares "Snowboard" und somit in ein anerkanntes
Sportgerät. Schon 1981 erlebte Ski Cooper in Leadville, Colorado,
den ersten Snowboardwettbewerb. Das Jahr 1982 sah dann die ersten National
Snowboard Championships (Downhill und Slalom) in Suicide Six bei Woodstock,
Vermont. Bei den Downhillridern wurden Geschwindigkeiten von bis zu
60 mph gestoppt. 1985 erschien mit "Absolutely Radical",
dem späteren "International Snowboard Magazine", die
erste Zeitschrift - und mit den Modellen Sims 1500 FE und Burton Performer
kehrte die Stahlkante unter das Snowboard zurück! Am Mt. Baker,
Washington, fand der erste Banked Slalom statt, bis heute einer der
ursprünglichsten Wettbewerbe des Snowboardings. |
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EUROPA |
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Europäische
Boardbauer wie Nidecker und Hooger Booger hatten inzwischen den technischen
Rückstand aufgeholt, und prompt
gewann José Fernandes 1987 in Breckenridge, Colorado, im Riesenslalom
die "amerikanische" Weltmeisterschaft dieses Jahres mit einem
der ersten asymmetrischen Boards - ein Zeichen, dass die europäische
Snowboardindustrie sich nicht mehr hinter der amerikanischen verstecken
brauchte. Auch der Deutsche Peter Bauer und der Franzose Jean Nerva
sollten noch große Erfolge mit asymmetrischen Boards feiern.
1987 fand auch die erste "europäische" Snowboard-WM
in Livigno und St. Moritz statt - ein Event, der eine Snowboarder aus
aller Welt zusammenbrachte und den Beginn vieler Freundschaften markiert..
Ein neuer Sport war geboren. Snowboarden war frischer als alles andere
auf der Piste, auch wenn die kurze Phase der Neonbekleidung im Nachhinein
schwere Zweifel an den Geschmacksnerven der damaligen Rider aufkommen
lässt. Im Jahr danach wurde die erste internationale Worldcuptour
geboren, die Peter Bauer wie auch im folgenden Jahr gewann. Die Evolution
beschleunigte sich: Rounded Tails, Hardboots, Plattenbindungen... Powderguns,
Raceboards, Freestyleboards... 1990 wurde die ISF gegründet, Events
wie der Air&Style oder der King of the Hill setzten die Eckdaten
zwischen Extreme Freeriding und Freestyle, und inzwischen steht der
Speed-Rekord für Snowboarder bei lockeren 201,907 km/h, aufgestellt
vom Aussie Darren Powell 1999 in Les Arcs. |
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Tom Sims beim Banked Slalom
am Mt. Baker 1985 |
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WAS JETZT? |
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Heute
flitzen über 10 Millionen
Boarder die Hänge herunter, und es werden immer mehr: 68% der
deutschen Kids entscheiden sich für das Snowboard, wenn sie
mit dem Wintersport beginnen. Poppens Snurfer entwickelte sich zu
einer olympischen Sportart mit einer großen, leider uneinigen
Lobby. Statt wie früher die Snowboarder von den Pisten zu verbannen
(1985 war Snowboarden nur in 7% der amerikanischen Gebiete erlaubt!),
wetteifern die Wintersportorte nun mit dem Bau von Halfpipes und
Funparks oder der Organisation von Events um die Gunst der Snowboarder
Pros wie Terje Haakonsen, Shaun Palmer, Daniel Franck, Martin Freinademetz,
Nicola Thost und nicht zuletzt der unvergessene Olympiasieger
von Nagano, Ross Rebagliati, sind heute Weltstars. Veranstaltungen
wie die US Open, Loards of the Boards oder Boardercross werden live
im Fernsehen übertragen. Zehntausende Zuschauer säumen
die Events, und manchmal nimmt alles groteske Züge an, z.B.
wenn im September 550 Tonnen Schnee von Sölden ins Ruhrgebiet
gekarrt werden, um dort eine Veranstaltung durchführen zu können.
Nur wenigen Contests, wie dem Soul City in Wien, ist es gelungen,
den Geist des Snowboardens in die Städte zu retten. Doch mit
dem Unglück beim Air&Style 1999, bei dem fünf Mädchen
starben, ist Snowboarding auch endgültig in der Wirklichkeit
angekommen. Und vielleicht ist der Beschluss der Air & Style
Company, den Contest zukünftig in Seefeld vor nur noch 20.000
Zuschauern zu veranstalten, der nächste Schritt: weg von hysterischem
Wachstum hin zu Qualität und Vernunft. |
